Siehst Du hier auch ein Gesicht?

 

Illusionen

und

wie sie entstehen

       durch Regeln       durch Verstehen     durch Ähnlichkeit

Illusionen durch Ähnlichkeit?

 

Religion = Religion?

 

Wir hier in Europa meinen zu wissen, was Religionen sind und was dazu gehört.

 

Für den Einzelnen stellen sich bei diesem Thema aber entscheidende Fragen:

 

Gehöre ich zu einer bestimmten Religion schon von Geburt an?

 

Bedarf es dafür besonderer Riten wie einer Taufe?

 

Kann ich mich für die Zugehörigkeit zu einer Religion selbst entscheiden?

 

 

Ist also entscheidend, wie es in meinem Innern aussieht?

 

Verliere ich zum Beispiel das Recht zu erben, wenn ich eine andere Religion wähle als die meiner Herkunftsfamilie?

 

Werde ich wegen meiner Religionswahl von meiner Herkunftsfamilie schon jetzt verstoßen?

 

Werde ich vom Staat oder von bestimmten Gruppen im Staat in meinem Leben bedroht, wenn ich eine bestimmte andere Religion wähle als die der Allgemeinheit?

 

Benötige ich spezielle Kenntnisse, um als Mitglied einer Religionsgemeinschaft aufgenommen zu werden?

 

Was passiert mir, wenn ich bestimmte Riten nicht vollziehe?

 

Was passiert, wenn ich mich nicht entsprechend religiöser Vorschriften kleide?

 

Kann ich heiraten, wen ich möchte?

 

In welcher Religion muss ich bei einer religiös gemischten Ehe meine Kinder erziehen (lassen)?

 


Zur geschichtlichen Entwicklung bei uns

 

Bis 1847 wurde zum Beispiel in Preußen jedes Kind mit Ausnahme der Kinder in jüdischen Familien kurz nach seiner Geburt getauft. Wenn seine Mutter bei der Geburt starb und es ein Waisenkind war, dann lag es in der Verantwortung des Bürgermeisters oder anderer Vertreter der Obrigkeit, für die Taufe zu sorgen. Denn man ging davon aus, dass es, nur wenn es getauft wurde, in den Himmel kommen würde, wenn es sterben sollte. Und die Kindersterblichkeit war hoch.

 

Außerdem wollte die Obrigkeit wissen, wie viele Untertanen in ihrem Bereich lebten und das ging aus den Kirchenbüchern hervor, in die die Taufen und damit auch die Geburten eingetragen wurden.

Erst durch das preußische Religionspatent vom 30. März 1847 wurde es möglich, Vereine und freie (von der staatlichen Verwaltung durch das Ministerium relativ unabhängige) Gemeinden zu gründen, die dann auch die Pflicht hatten, die Geburten und Sterbefälle ihrer Mitglieder zu dokumentieren.

 

Und erst in den Jahren von 1870 bis 1876 wurden Standesämter zur Registrierung von Geburten, Beerdigungen und für Eheschließungen im Deutschen Reich eingeführt. Das sind jetzt je nach Ort rund 150 Jahre her. Bis dahin gab es also auch für den einzelnen Bürger keine Möglichkeit, keiner Weltanschauungsgemeinschaft oder Kirche anzugehören.

 

 

Was bei uns Vergangenheit ist, ist in anderen Ländern noch Gegenwart, einfach auch, weil es so Tradition ist, selbst wenn staatliche Gesetze anders lauten. Wenn man nicht nachweislich ein Christ oder ein Jude ist und aus einer entsprechenden Familie stammt, ist man automatisch ein Muslim. Bekanntlich sind Juden und Christen laut dem Koran als Anhänger einer Schriftreligion geduldet. Männer dürfen Jüdinnen bzw. Christinnen heiraten, wenn die Kinder im Sinne des Islam erzogen werden.

 

Zusätzlich zu der Differenzierung zwischen Juden, Christen und Muslimen, gibt es innerhalb jeder dieser Religionen verschiedene Konfessionen. Bekanntlich war bei uns in Deutschland es je nach Region bis vor gar nicht so langer Zeit ein Problem, wenn katholische und evangelische Christen einander heiraten wollten. Ähnliche Probleme kann es bis heute geben, wenn Mitglieder einer Freikirche oder Sekte Mitglieder der Landeskirchen oder katholischen Kirche heiraten möchten.

 


Die Illusion von Religion - Religion als Produkt auf dem globalen Markt

 

 

 

Was religiös aussieht, was in religiös aussehenden Gebäuden, Institutiionen und von religiös sprechenden Personen geschieht, muss nicht alles wirklich dem Anliegen der jeweiligen traditionellen Religion dienen, sondern kann einfach ein Mittel des Geldverdienens werden, ja sogar des Reichwerdens.

 

Ein Tempelbetrieb in der Antike war ein Wirtschaftsbetrieb mit vielen Mitarbeitern, die von ihm lebten. Kreativität war ein Kennzeichen des Papstums, was man alles verkaufen und wie man Gläubige zum Besuch der Kirchen in Rom motivieren kann. Der Ablass(handel) ist ein Beispiel dafür. Das Heilige Jahr ein weiteres, 1300 durch Bonifatium VIII. erfunden. Seit 1475 findet es alle 25 Jahre statt.

 

Auch von evangelischen Pfarrern wird seit etlichen Jahrzehnten davon gesprochen, dass wir uns auf einem religiösen Markt befinden und entsprechend als Kirche zu agieren hätten. Konkurrenten sind dabei nicht nur die anderen christlichen Konfessionen, sondern auch andere Religionen wie vor allem der Buddhismus und Hinduismus und der gesamte Bereich der Esotherik. Der Buchmarkt spiegelt dies wieder. In jedem Buchladen kann man sehen, sofern er nicht ein ausdrücklich christlicher ist, mit welcher Literatur das meiste Geld zu verdienen ist. Auch der Filmmarkt zeigt, wer diesen Markt heute beherrscht.

 

Der Mensch wird zum Kunden, der sich nach eigenem Geschmack sein eigenes Menu zusammenstellt, in der Regel all das, von dem er meint, dass es dem eigenen Wohlbefinden und persönlichem Erfolg diene.

 

Traditionelle Religion und das, was nach ihr aussieht, als Produkt auf einem Markt anzusehen, das es werbewirksam anzupreisen gelte, um Kunden dafür zu interessieren und es dann möglichst gewinnbringend zu verkaufen, hat nichts mehr mit der ursprünglichen Funktion von Religion in menschlichen Gemeinschaften zu tun, sondern fördert die Vereinzelung der Menschen.

 

Die Konfrontation mit dem ganz anderen, dem Göttlichen, der Spiegel, der mir auch die Flecken im Gesicht zeigt, der mich mit Menschen aus ganz anderen Zeiten und Weltregionen bekannt macht, all das wird an den Rand gedrängt oder kaum noch wahrgenommen. "Entscheide dich zwischen Gott und dem Mammon!" - Diese Grundentscheidung passt nicht zu dem Marktmodell.

 

Auch ist der Markt nicht mehr derjenige der Händler mit ihren Ständen auf einem Platz in der Stadt, sondern findet im Internet statt und in großen bis riesigen Einkaufstempeln, nicht selten auch am Rande der Städte, zu denen man in der Regel mit dem eigenen Auto fährt. Entsprechnend wurden und werden "Megachurches". 

 

Wie in einem Fussballstadium die Vereinzelung der Fans nicht unbedingt in der Zeit des Spiels empfunden wird, sondern im Gegenteil die Zugehörigkeit zu den Tausenden anderen, so auch in den Megakirchen. Selbst wenn dort versucht wird, durch die Organisation von Haus- und Gesprächskreisen, persönlich Kontakte zu vermitteln, kann dies kaum zu wirklichen Gemeinschaften auch an den Wohnorten der Besucher führen. Wir Menschen brauchen aber das persönliche Gespräch, Menschen, die uns über einen langen Zeitraum kennen, die gegenseitige Hilfe und Unterstützung.

 

Also Vorsicht! Nicht alles, was nach Religion aussieht, ist auch Religion!

 


Die klare Trennung zwischen Anhängern verschiedener Götter /Kulte gibt es nicht überall

 

Vor allem in Asien gibt es viele Länder, in denen man wie in Indien, China, Japan, Vietnam, Süd-Korea eine große Auswahl an Tempeln hat. Christen, Juden und Muslime sind hier Ausnahmen, eben Monotheisten, die nur einen Gott anerkennen, während es ansonsten die verschiedensten religiösen Angebote gibt. Man huldigt den Göttern, besucht deren Tempel und spendet dort, um von den Göttern etwas zurück zu erhalten: geschäftlichen Erfolg, Glück in der Ehe, Heilung bei Krankheiten, ... Wenn der Besuch des einen Tempels nichts bringt, geht man zum nächsten. Die unterschiedlichen Lehren der verschiedenen Religionen und philosophischen Systeme spielen nur für Mönche, Nonnen und Interessierte eine Rolle.

 

 

Entsprechend besteht auch wenig Verständnis dafür, dass dies bei den drei monotheistischen Religionen anders ist. So haben viele Menschen in diesen asiatischen Ländern kein Gewissensproblem damit, eine Kirche, Synagoge oder Moschee zu besuchen und an entsprechenden Veranstaltungen teilzunehmen. Für sie ist das keine Frage des Bekenntnisses, sondern des Interesses und der Nützlichkeit.

 

Sehr verbreitet ist überall auf der Welt das, was wir Aberglauben nennen, diese uralten Lehren und Annahmen über den Einfluss der Sterne und Sternbilder auf unser Leben, die Annahme der Existenz von Geistern, die Möglichkeit von Zauberei und Hexerei, die Wirksamkeit von Flüchen. Heilungen durch magische Handlungen /Personen... Modern kommen diese religiösen Lehren und Handlungen unter dem Namen der Esoterik auf den Markt, wobei asiatische Religionen und Philosophien für europäische Interessenten und Konsumenten vereinfacht und angepasst werden.

 

Diese uralten Praktiken werden schon im Alten Testament strikt abgelehnt und vor ihnen gewarnt. Trotzdem haben sie auch in christlichen Ländern im Lauf der Jahrhunderte einen mehr oder minder starken Einfluss auf die Gesellschaft und die Menschen gehabt, vor allem durch die Astrologie.

 


 

Bestimmte Ähnlichkeiten zwischen den verschiedenen Religionen fallen in die Augen:

 

a) Für das Zusammenkommen der Gläubigen gibt es besondere Gebäude: Kirchen mit Spitz- bzw. Rundtürmen, Moscheen, Synagogen, Tempel

 

Diese Gebäude werden oft auch zu Repräsentationszwecken der sie Finanzierenden genutzt. Das waren oft Fürsten, Gutsherren, Magistrate, Zünfte, Orden... Die Größe und Ausgestaltung dienten dem eigenen Ansehen des Reiches, der Stadt, des Schlosses...

So erhielten die Finanzierenden auch besondere Nutzungsrechte, zum Beispiel hervorgehobene Sitzplätze in Kirchen, so im Berliner Dom die Kaiserloge, die über das Kaiserliche Treppenhaus betreten wurde.

 

b) In diesen Gebäuden sind speziell für die Durchführung der dort üblichen Veranstaltungen ausgebildete Personen anzutreffen, die oft auch durch ihre spezielle Berufsbekleidung zu erkennen sind.

 

c) Es wird Geld benötigt, um diese Gebäude zu erhalten und für den Unterhalt der hier Beschäftigten. Wie dieses Geld zusammen kommt, ist unterschiedlich, aber beim Vergleich der Religionen oft sehr ähnlich.

 

- Es wird um Spenden durch bestimmte aufgestellte Spendenkästen gebeten.

- Mitglieder verpflichten sich zu einem bestimmten jährlichen Betrag.

- Es werden Devotionalien wie Kerzen, Räucherstäbchen u.a. verkauft.

- Es gibt die Möglichkeit, das geistliche Personal mit Nahrungsmitteln zu versorgen

- Es wird für bestimmte Leistungen des geistlichen Personals eine Gebühr verlangt.

- Große Spenden und ihre Geber werden namentlich an bestimmten gut sichtbaren Plätzen veröffentlicht und die Spender dadurch geehrt.

 

(Eine Kirchensteuer wie bei uns in Deutschland ist weltweit gesehen, ein Sonderfall. Sie wurde erst nach und nach im Laufe des 19. Jahrhunderts eingeführt, in Preußen mit Gesetzen von 1905/06.)

 

Der Bau und Unterhalt insbesondere von Jahrhunderte alten und denkmalgeschützten Gebäuden ist heute ohne staatliche Unterstützung für viele religiöse Gemeinschaften nicht möglich. Soche Mittel für Denkmalschutz gibt es aber auch für profane Gebäude anderer Eigentümer und muss jeweils beantragt werden.

 

d) In der Ausgestaltung der Räume können dem Kunstinteressierten Ähnlichkeiten auch mit weit entfernten Religionen auffallen.

 

e) Ähnliche literarische Motive findet man bei einem Vergleich der Mythen und Erzählungen von verschiedenen Religionen, so in den Schöpfungs- und Weltuntergangsgeschichten, in Wundererzählungen, Heilungsgeschichten, Geburtserzählungen und manchem mehr.

 

f) Bei bestimmten moralischen Forderungen gibt es Übereinstimmungen, so in den Verboten zu stehlen, zu töten, die Ehe zu brechen bzw. in Geboten, Gott / die Götter zu ehren.

 

g) Die Verehrung bestimmter Vorbilder ist zum Teil ähnlich.

 

Diese Ähnlichkeiten können den Blick dafür verstellen, dass es zwischen den Religionen und auch innerhalb dieser große Unterschiede gibt.

 

Hier Fakten dazu aus dem Christentum:

 

zu a und c) - Es gibt viele und immer mehr einzig durch die Mitglieder finanzierte Gebäude.

 

zu b) - In diesen sogenannten freien Gemeinden wird oft gemeindliches Leben einzig durch ehrenamtliche Arbeit aufrechterhalten.

 

 

zu d) - Oft nutzen diese Gemeinden Gebäude und Räume, die eine religiöse Nutzung nicht oder nur durch geringe Äußerlichkeiten sichtbar machen und auch anderen Zwecken dienen.

 

zu e) - Ähnlichkeiten in literarischen Texten können sehr unterschiedliche Gründe haben: allgemein menschliche Erfahrungen oder Probleme, zugrunde liegende ältere mündliche Überlieferungen, Kenntnis älterer Texte durch die Verfasser.., Schreiben im Stil von gleichen Literaturgattungen wie Briefen, Gedichten, Weisheitsliteratur, apokalyptische Schriften..,

 

Wichtig ist zu beachten, z.B.

- in welchem Kontext diese Ähnlichkeiten auftauchen,

- welche charakteristischen Unterschiede zu anderen Quellen vorhanden sind,

- in welcher zeitlichen Reihenfolge die Texte verfasst wurden,

- ob es historische Einflüsse von Ereignissen bzw. Personen zur Zeit der Abfassung gab, die die Ähnlichkeiten erklären.

- ob die Texte als heilig, d.h. unveränderbar gelten oder galten und welchen Einfluss sie auf die jeweilige Kirche / Religion hatten oder haben.

 

zu f) - Der Umgang mit den 10 mosaischen Geboten ist in den christlichen Kirchen unterschiedlich, was sich besonders am Umgang mit dem 2. Gebot, dem Bilderverbot zeigt. Es wurde nach den ersten christlichen Jahrhunderten zugunsten der Integration der antiken Kunst schrittweise ignoriert und bei Aufzählungen weggelassen. Da dann ein Gebot an der Zehnzahl fehlte, wurde das letzte Gebot in zwei geteilt.

 

zu g) - Auch in den evangelischen Kirchen gibt es trotz der Ablehnung der Heiligenverehrung in den Orthodoxen Kirchen und der Katholischen, Personen, vor allem Märtyrer der NS-Zeit, die als Vorbilder eine Verehrung genießen und deren Schriften überaus verbreitet sind, die als Heiligenverehrung verstanden werden kann. Im übrigen gibt es eine ähnliche Verehrung von Persönlichkeiten auch im profanen Bereich, in der Politik, in der Kunst und Wissenschaft.

 


 

Ähnlichkeiten der Religionen entstanden aufgrund einer gemeinsamen Geschichte,

die sich dann in verschiedene Zweige spaltete

oder durch gegenseitiger Beeinflussung in einem gemeinsamen Kulturraum

 

Das Christentum und heutige Judentum haben gemeinsame Wurzeln durch die Schriften Israels aus seiner mehr als 1000jährigen Geschichte im alten Orient bis zur Zerstörung des Tempels und Jerusalems im Jahr 70 durch die Römer und die Folgen des Bar Kochba-Aufstands in den Jahren 132-136. Die ältesten christlichen Schriften sind die Briefe des Paulus. Die übrigen Schriften des Neuen Testaments wurden nach dem Jahr 70 geschrieben, also in einer Zeit, in der sich auch jene Juden, die nicht Jesus als den Christus anerkannten, neu orientieren mussten und die Rabbiner in den Synagogengemeinden der schon existierenden Diaspora die künftige Entwicklung prägten.

 

Unverkennbar ist auch der Einfluss des Judentums auf Mohammed und den Islam, sichtbar insbesondere durch die Beachtung des 2. mosaischen Gebots, des Bilderverbots, und dies zu einer Zeit als Christen dies schon weithin nicht mehr einhielten und ihre Kirchen mit Bildern schmückten.

 

Was die Versionen z.B. der Geburt Jesu im Koran in der 3. und 19. Sure betrifft1, ist zu beachten, das zwischen der Abfassung der neutestamentlichen Evangelien und der des Koran ca. 500 Jahre lagen. Zwischen der Auswahl der Bücher des Neuen Testaments als heiliger Schrift und Aufnahme in den neutestamentlichen Kann durch das 1. Konzil 313 lagen ca. 200 Jahre bis zur Abfassung des Korans. In diesen Jahrhunderten dazwischen entstand eine Vielzahl weiterer christlicher Schriften, die im alten Orient und römischen Reich verbreitet waren. Lücken in der Erzählung der Evangelien wurden mittels Phantasie der Erzähler durch Legenden vervollständigt, so der Aufenthalt Jesu und seiner Eltern in Ägypten.

 

Diese späteren Legenden hatten hatten zwar keinen auf das von der Römischen Kirche autorisierte Neue Testament Einfluss, wohl aber auf die Volksfrömmigkeit und auf die Herausbildung des Islam und den Koran. Außerdem spielte inzwischen die Marienverehrung unter Christen eine bedeutende Rolle für die Frömmigkeit. Auch sie spiegelt sich im Koran wider, in dem Maria die einzige Frau ist, die mit Namen genannt wird.

 

Ähnliche Einflüsse von verschiedenen Religionen aufeinander gibt es auch heute durch die Globalisierung, so insbesondere in bisher christlich geprägten Ländern durch asiatische Religionen, die bei Europäern und US-Amerikanern gerade aufgrund ihrer Fremdheit auf Interesse stoßen. Dieses neue Klientel der hinduistischen Aschrams und konfuzianistischen, daoistischen und buddhistischen Tempel führt nun seinerseits zu zum Teil veränderten Ausprägungen und Schwerpunktsetzungen dieser Religionen, die den europäischen Sinn- und Antwortsuchenden angepasst werden.

 

Ebenso geschah es auch zum Teil während den christlichen Missionsbemühungen in der Kolonialzeit. So lange die katholische Kirche z.B. den Ahnenkult in Vietnam ablehnte und bekämpfte, hatten Missionare nur wenig Erfolg. Erst durch die Integration der Verehrung der verstorbenen Angehörigen wuchsen die Gemeinden. Aufgrund der traditionellen Heiligenverehrung fiel diese Integration der katholischen Kirche leichter als protestantischen Missionaren, wodurch die Zahl von katholischen Christen auch in vielen Ländern mit traditionellem Ahnenkult weit höher ist als die der evangelischen.

 


 

 

Ähnlichkeiten bestimmter Religionen,

die von bestimmten Entwicklungen der Gesamtgesellschaft

bzw. bestimmter Wissenschaften, Ideologien

oder der menschlichen Psyche und des sozialen Lebens allgemein beeinflusst werden:

 

 

Geistige Auseinandersetzungen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen werden zum Teil quer durch alle in einem bestimmten Gebiet vorhandenen Religionen und Konfessionen in ähnlicher Weise geführt und können zu ähnlichen Ergebnissen führen, müssen es aber nicht.

Ein Beispiel dafür sind die Diskussionen um die Bewegung der sog. "Lichtfreunde", die Deutsch-Katholischen Gemeinden, die Entstehung der liberalen jüdischen Gemeinden seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhundert und das Engagement von Pastoren und Priestern in der ersten Preußischen Nationalversammlung 1848.

 

- Verschiedene Kunststile in der Architektur und Malerei haben zum Teil die Religionen "quer Beet" beeinflusst und sind eher typisch für das Jahrhundert, in dem sie üblich waren oder sind, als für die jeweilige Religion.

 

- Heute sehr im Gespräch sind Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, die in den Ansichten der Theologen der verschiedenen Religionen zu finden sind. In jeder Religion gibt es Weise, die sich mit ihren jeweiligen Traditionen und heiligen Schriften intensiv beschäftigt haben bzw. sie studieren und dann bestimmte Lehren formuliert haben, um sie für andere zusammenzufassen, Ungereimtheiten darin zu erklären und Schülern das Wichtigste gut merkbar darlegen zu können.

 

Diese theologischen Lehren unterscheiden sich aber sehr stark innerhalb einer Religion, wodurch dann die verschiedenen Schulen und Konfessionen entstanden sind, oft nach heftigen Auseinandersetzungen bis hin zu Kriegen.

 

Wenn wir uns nun heute in der Bemühung um Frieden zwischen den Menschen verschiedener Religionen auf Gemeinsamkeiten bestimmter Lehren in den einzelnen Religionen konzentrieren, unterschlagen wir schnell die Unterschiede und wählen diejenigen Lehren und Schulen aus der anderen Religion aus, die zu unserer am besten passen. Dies muss dann aber nicht die Mehrheitsmeinung sein. So können Spaltungen in der jeweiligen anderen Religion verstärkt werden.

 

Wenn wir als Christen z.B. meinen, einen interreligiösen Dialog mit Muslimen zu führen und dafür die Ahamdiyya-Muslime auswählen, die in Pakistan vom Parlament zu Nichtmuslimen erklärt wurden, muss man sich nicht wundern, wenn andere Muslime dann den Kontakt ablehnen.

Andersherum wären Lutheraner oder Katholiken sicher irritiert, wenn Muslime einen interreligiösen Dialog mit Christen führen und dafür als Partner die Zeugen Jehovas auswählen würden. Gerade kleine Minderheitengemeinschaften einer Religion sind zum Teil an solchen Kontakten interessiert und freuen sich über die Aufmerksamkeit, die ihnen dadurch gewährt wird.

 

Gemeinsamkeiten die durch einen Vergleich der theologischen und ethischen Lehren erfahren und betont werden, sind eher Ausdruck allgemein menschlicher Probleme und Reflektionen darüber als Ausdruck wirklicher Gleichheit, die die Zusammenfassung unter einen Hauptbegriff wie Religion rechtfertigen.

 

- Ähnlichkeiten der verschiedensten Religionen werden auch von denen vorausgesetzt, die die Meinung vertreten, dass an den Missständen in der Gesellschaft vor allem die Religion der Menschen verantwortlich sei und sie deshalb verboten bzw. bekämpft werden müsste. Diese Auffassung entstand zwar in bis dahin christlichen Gesellschaften, fand bekanntlich aber auch in China u.a. Ländern Anhänger und führte zur Zerstörung oder Umnutzung vieler religiöser Gebäude, zum Verbot der religiösen Kindererziehung bis hin zur Ermordung von Priestern, Pfarrern, Mönchen, Rabbinern, Imamen... - also quer durch alle traditionellen Religionen.

 

 


Eine Selbstdefinition das Gegenteil von Religion zu sein, verhindert nicht,

dass man von anderen als religiös beschrieben wird

 

Religion = Religion? - Das Problem der Definition

 

Der lange Artikel bei Wikipedia beginnt damit, Religion als eine Unterkategorie des Begriffs Weltanschauung zu definieren:

 

"Religion ... ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, deren Grundlage meist der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte ... sowie häufig auch an heilige Objekte darstellt."

 

Im Grundgesetz und anderen Rechtstexten wird bekanntlich von "Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" gesprochen.

So heißt es im Artikel 4 (1) des GG: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich."

 

Weltanschauungen hat es je nach Wissensstand im Laufe der 2000jährigen christlichen Geschichte viele gegeben. Sie konnten sich in entscheidenden Fragen ändern, ohne dass dies Einfluss auf das Verständnis biblischer Texte hatte, wie meine Untersuchung der Predigten der Berliner Hofprediger über einen Zeitraum von rund 300 Jahren gezeigt hat.

 

Der Begriff "Religion" ist nur hilfreich, wenn er auch atheistischen Lehren umfasst, wie den Marxismus, Maoismus, Leninismus... Die oben genannte Definition von Religion müsste also heißten:

 

Religion ... ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Weltanschauungen, unabhängig davon, ob deren Grundlage meist der jeweilige Glaube an bestimmte transzendente (überirdische, übernatürliche, übersinnliche) Kräfte ... sowie häufig auch an heilige Objekte darstellt, oder ob sie rein "wissenschaftlich" legitimiert werden. Denn auch in allen bisherigen atheistischen Gesellschaften und Gemeinschaften werden Ausdrucksformen von bisheriger Religion verwendet, allerdings von Menschen, statt von einem göttlichen Willen oder Handeln abgeleitet. Damit werden Menschen zu Göttern gemacht und entsprechend verehrt. Sie werden entmenschlicht, indem alles, was zur jeweiligen Zeit negativ und für den jeweiligen Zweck unpassend erscheint, aus ihrem Leben verschwiegen wird. Geschieht dies erst nach ihrem Tode werden sie für eigene Zwecke missbraucht, geschieht dies zu Lebzeiten, werden sie in ihrem Größenwahn unterstützt, mit verderblichen Folgen für die Gesellschaft, wie die Geschichte vieler Völker zeigt.

 

Das Etikett "wissenschaftlich", wie beim "wissenschaftlichen Marxismus-Leninismus" ist bestenfalls Ausdruck des Wissensstandes einer jeweiligen Zeit und Gesellschaft und wird nach ein paar Jahren und Jahrzehnten aufgrund der eigenen Geschichte als veraltet erwiesen.

 

Auch in der Nazi-Zeit wurde bekanntlich versucht, die Ideologie insbesondere durch medizinische und sozial-darwinistische Forschung zu legitimieren. Viele Wissenschaftler an den Universitäten und Instituten wurden dafür gewonnen.

 

Die Illusion, nicht religiös zu sein

 

Ja, es gibt charakteristische Unterschiede zu den Religionen bei der Art der Pflege von Weltanschauungsgemeinschaften

 

Ihre das öffentliche Gesicht von Städten und Dörfern dominierende Bauten sind bzw. waren keine Versammlungsräume, sondern vor allem Denkmäler an zentralen Plätzen bzw. auf Friedhöfen mit Heldengräbern bzw. Mausoleen im Zentrum der Hauptstadt, an denen zu bestimmten Anlässen feierlich Kränze niedergelegt wurden und werden.

 

Die Versammlungen der Anhänger finden und fanden unter freiem Himmel oder in großen Sportstadien statt. Zu denken ist an die Demonstrationen von vielen Tausenden, die anlässlich bestimmter Feiertage wie dem 1. Mai bzw. bei bestimmten Anlässen von staatlicher Seite organisiert wurden und von deren Teilnahme man sich nur schwer fernhalten konnte, wollte man nicht Nachteile auf der Arbeit oder auf dem Bildungsweg riskieren.

 

Nicht nur bestimmte Räume, sondern der ganze öffentliche Raum wurde und wird mit bestimmten Symbolen versehen, die die herrschende Religion und ihre Götter in Menschengestalt sichtbar machen.

 

Geld dafür ist kein Problem, da es staatlich durch Steuereinnahmen finanziert wird und wurde.

 

Personen, die diese Religion verbreiten, wurden und werden vor allem in Parteischulen, eigenen Instituten, aber auch an Universitäten ausgebildet.

 

Dass sich Vertreter dieser "Religionen" selbst als nichtreligiös verstehen und bezeichnen, haben sie mit bestimmten christlichen Lehrern gemein, wie dem im deutschen Protestantismus und auch international sehr einflussreichen Karl Barth und seinen Schülern.

 

Typisch für die kommunistischen Parteien wie für die deutsche faschistische Partei war die Forderung an ihre Mitglieder, aus der Kirche auszutreten zu müssen. (Eine Doppelmitgliedschaft war nur aufgrund nach der Vereinigung von SPD und KPD 1946 für SPD- Mitglieder möglich, so etliche Pfarrer. Später wurde dies verhindert.) Darin zeigt sich, dass man sich (als politische Partei) auf einer Ebene mit den Kirchen u.a. Religionen sah, also als Konkurrenten.

 

Ausgesprochen religiös war zu Beginn der kommunistischen Bewegung im 19. Jahrhundert die Sprache:

- Wilhelm Weitling, der Gründer des Bundes der Kommunisten nannte seine Programmschrift von 1845 "Das Evangelium des armen Sünders"

Der Bund der Kommunisten hat 1847 Karl Marx und Friedrich Engels damit beauftragt, ein "Glaubensbekenntnis" für sie zu verfassen, das sie dann aber "Kommunistisches Manifest" nannten.

 

Das Bemühen um Gesundheit - die heute herrschende Religion?

Dazu möchte ich empfehlen zu lesen: Das Interview mit Manfred Lütz in der "Welt" vom 18.12.2011: 

"Der Gesundheitswahn ist die neue Religion"

Auch schon am 19.06.2005 hat er sich ähnlich dazu in der "Welt am Sonntag" dazu geäußert: "Gesundehit als Religion".

In einem Interview in Österreich wurde von profil Manfred Lütz 2015 gefragt:

"Strapazieren Sie die Parallele zur Religion nicht ein wenig zu häufig?"

Manfred Lütz antwortete: " Mir scheint, wir haben heute ein religiöses Vakuum, und das hat die Gesundheitsreligion ausgefüllt. Das Jahr 2000 war da sozusagen ein Wendejahr. Da erreichte die Zahl der Fitnessstudiobesucher in Deutschland 4,9 Millionen, während die Zahl der katholischen Sonntagsgottesdienstbesucher auf 4,2 Millionen sank. Inzwischen sind alle religiösen Phänomene im Gesundheitswesen angekommen. Wir haben Ärzte als Halbgötter, Diätbewegungen gehen wie wellenförmige Massenbewegungen übers Land, welche in ihrem Ernst die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei Weitem übertreffen. Wir erleben den bruchlosen Übergang von der katholischen Prozessionstradition in die Chefarztvisite, und blasphemisch können Sie inzwischen nur noch im Bereich der Gesundheitsreligion sein. Über Jesus Christus kann man inzwischen jeden albernen Scherz machen. Aber bei der Gesundheit hört der Spaß auf. Und in meinem Buch fängt er da an."

 


 

1 Darauf weist Prof. i.R. Karl-Josef Kuschel in der Sternstunde Religion vom 12.2024 hin - ab 16,04 min.